Fundsache: Schrauben.



Aus: express Zeitung für Betriebs- und sozialistische Gewerkschaftsarbeit,
Offenbach 11/1988 S. 8-9




Politische Ökonomie


Zur politischen Ökonomie der losen Schraube


Von Hans-Jürgen Seidel


In diesem Artikel versucht der Autor keine Analyse, sondern die Beschreibung einer langen und langsamen technischen Entwicklung. An dem banalen Beispiel der Technik mechanischer Verbindungen bei der Montage von Kleingeräten läßt sich der Hund zeigen, auf den der technische Fortschritt gebracht worden ist.

Die klassische lösbare Verbindung ist die Schraubverbindung, mit der zwei Teile (oder, bei geschickter Konstruktion, mehrere) fest zusammengepreßt werden. Bei hinreichend hohem Anpreßdruck entstehen „kraftschlüssige“ Verbindungen, d.h. über die Schraubverbindungen lassen sich Kräfte übertragen. (Die Herren Konstrukteure werden wegen dieser grob vereinfachenden Darstellung um Nachsicht gebeten; tatsächlich füllt die Theorie der Schraubverbindung dicke Bücher.)

Diese schöne Verbindungstechnik hat nun leider auch eine Reihe von technischen und ökonomischen Nachteilen, die gerade bei der Massenfertigung von Kleingeräten – man denke sich etwa Haartrockner „Föhn“). Blitzlichtapparate, Lichtschalter, Telefonapparate, die Eingeweide von Radioapparaten und dergleichen – recht störend sind:

–    sie brauchen viel Platz (und immer an der falschen Stelle),

–    sind umständlich (sprich: zeitaufwendig) zu montieren,

– und dauernd in Gefahr, sich bei Erschütterungen, und Vibrationen zu lockern.

Was wieder eine stark vereinfachte und verkürzte Darstellung ist.


Gegen Platzmangel und Zeitaufwand hilft schlichtes Weglassen. „Entfeinern” nennen das die Konstrukteure heutzutage. Tatsächlich haben die frühen Kollegen für die doppelte Ewigkeit dimensioniert. Mit der Hälfte der Schrauben hätte es für die einfache gereicht. Wer so ein altes Ding auseinandernimmt, ist eine Weile beschäftigt. Man sehnt sich danach zurück, wenn man moderne (möglicherweise: postmoderne) Wackelkonstruktionen in die Hand nimmt. Was wir schon alles verinnerlicht haben, zeigt sich daran, daß jeder – alte Leute und kleine Kinder ausgenommen – solches Zeug automatisch ganz vorsichtig anfaßt. Trotzdem sind dem Weglassen relativ enge Grenzen gesetzt.

Nicht nur störend, sondern in manchen Fällen ganz gefährlich ist die Eigenart von Schraubverbindungen, sich im Laufe der Zeit „von selbst“ zu lockern. Der Beginn des Industriezeitalters läßt sich auf den Tag datieren, an dem zum ersten Mal in beleidigender Absicht die Befürchtung geäußert werden konnte, jemand habe eine Schraube lose. (Die Redensart: „Der Kerl hat ein Rad ab“ konnte erst im Zeitalter der allgemeinen Motorisierung entstehen.)

Gegen das Lockern von Schrauben im direkten Sinne des Wortes gibt es wirksame Mittel in Gestalt von Federringen, Zahnscheiben, Kontermuttern und trickreich ausgeformten Klemmblechen. Die Montage wird damit allerdings noch umständlicher.

Der nächste Angriffspunkt der Rationalisierung war deshalb das Gegenstück der Schraube: die Schraubenmutter oder das ins feste Material gebohrte Loch mit eingeschnittenem Gewinde.

Mit der Erfindung der Blechschraube, Anfang der 50er Jahre, wurde zunächst die Mutter wegrationallsiert: an ihre Stelle trat ein einfaches Loch, etwas kleiner als der Außendurchmesser der Schraube, das Gewinde der Schraube wurde steiler und tiefer geschnitten (nächste Stufe: gepreßt) – so ein Ding sieht ungefähr so aus wie eine Holzschraube mit abgeschnittener Spitze – so daß die Schraube beim Eindrehen sich ihr Gewindeloch selbst schneidet. Wo das Material dafür zu dünn ist, wird eine Sicke gedrückt (d.h. eine kegelförmige Vertiefung, an der Spitze das Loch) an deren Wänden die Blechschraube (auch Schneideschraube genannt) Führung findet. Im Prinzip ist das ganz einfach. Aber es steckt ein erstaunlicher Einfallsreichtum dahinter und ein mindestens ebenso erstaunlicher Entwicklungsaufwand. Die Idee ist buchstäblich radikal, die Ausführung höchst kompliziert: das Material des Bleches und der Schraube, Lochdurchmesser, Schraubendurchmesser und Gewindetiefe müssen so aufeinander abgestimmt werden, daß die Verbindung hinreichend fest sitzt, ohne daß beim Eindrehen Späne entstehen, die im Innern des Gerätes Kurzschlüsse oder anderes Unheil anrichten können. Altgediente Konstrukteure schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und äußerten sich höchst abfällig über „Tinnef“ und „Spielzeugtechnik“; die Schlauberger unter ihnen studierten zugleich und unauffällig die Fachliteratur. Weil sie schon wußten, was auch auf sie zukommen würde, wollten sie von Anfang an dabei sein.


Wie einer auf den Dreh gekommen ist …


Eine Blechschraube kann man allenfalls fünfmal lösen und wieder festziehen, dann ist das selbstgeschnittene Gewinde rettungslos vergurkt, ein nicht ganz billiges Gerät möglicherweise nur aus diesem Grunde irreparabel schrottreif.

Mit diesem Einwand stießen die Traditionalisten aber hoffnungslos in Leere; Voraussetzung und Intention solcher Erfindungen ist ja gerade der Bruch mit der Tradition. Und wenn solche Brüche sich umgehend auszahlen – in Umsatz, Rendite und Marktanteilen – sind sie nicht zu bremsen. Denn was nützt es der Firma X, daß ihre Geräte zwar stabiler, länger haltbar und leichter zu reparieren sind als die von Y, wenn sie dafür in der Anschaffung teurer sein müssen? Werden die Käufer nicht eines Tages merken, daß sie mit dem Produkt X unter dem Strich billiger kommen? Es wird ihr nichts nützen; die Käufer werden es zwar bemerken, aber X wird zu dieser Zeit längst pleite sein. Also muß X mitmachen, bei Strafe des Ruins, muß sogar womöglich noch eins draufsetzen, denn die Konkurrenz hat einen gefährlichen Vorsprung.

So war, im nachhinein betrachtet, der Gegenzug ganz einfach: mit der Einführung des motorisch angetriebenen Schraubenziehers wurden die Montagezeiten dramatisch verkürzt und die Marketingstrategen vor die unheilschwangere Frage gestellt, mit der gleichen Belegschaft mehr zu produzieren oder mit reduzierter Belegschaft soviel wie zuvor. Dabei war die Sache noch immer nicht ausgereizt. Nur die Umständlichkeit, die Klinge des Schraubenziehers exakt in den Schraubenschlitz einsetzen zu müssen, stand der Einführung eines Verbindwerkzeuges entgegen, mit dem die Schrauben nicht nacheinander, sondern alle auf einmal einzudrehen sind. Während die problemlösende Erfindung der Kreuzschlitzschraube schon in der Luft lag, die dafür immer herhalten muß, wurde durch die Einführung von scharnierähnlichen Steckverbindungen nochmal die Zahl der erforderlichen Schrauben dezimiert:

Die konventionelle Befestigung des Deckels auf einem Kasten z.B. braucht (mindestens) an jeder Ecke eine Schraube. Versieht man nun den Deckel an einer Kante mit trickreich ausgeformten Zapfen oder Laschen, die in entsprechende Löcher oder hinter Abkantungen der Kastenwand eingreifen, dann ist der Deckel an dieser Seite schon fixiert und mit nur noch zwei Schrauben an der gegenüberliegenden Seite befestigt.

Der Witz der Sache liegt darin, daß die Anbringung der Zapfen und Löcher etc. nur minimale Änderungen der Werkzeuge erfordert, mit denen die Rohlinge von Kasten und Deckel hergestellt werden, auf's Stück umgerechnet also praktisch nichts kostet. Zugleich ist damit das Verbundwerkzeug vereinfacht, bevor es erfunden wird. Es wird erfunden, nachdem einer auf den Dreh gekommen ist, den Schraubenschlitz zweckentsprechend zu ändern; nicht auszumachen ob als Wirkung oder Ursache. Die geänderte Schraube hat zwei gekreuzte Schlitze, die in der Mitte tiefer sind als am Rand. Der zugehörige Schraubenzieher hat entsprechend zwei gekreuzte Klingen mit dem Profil einer abgerundeten Kegelspitze. Man kann ihn, wenn er ein bißchen Spiel hat, schräg oder versetzt ansetzen, er wird unter leichtem Druck von selbst in die richtige Position rutschen. Als Zugabe sozusagen kann, bei gleicher kraftübertragender Kontaktfläche zwischen Schraube und Werkzeug, der Schraubenkopf kleiner gemacht werden.


Die Schraube wird ein Massenprodukt


Damit ist diese Verbindungstechnik im wesentlichen ausgereizt, eine Entwicklung, die mit der Erfindung der Schraube begann – nach ungesicherter Erkenntnis durch Archytas von Taras (Tarent) um 360 v. Chr. – scheint abgeschlossen. Aus einem teuren Luxusartikel für die gehobenen Stände, mehr oder weniger in Handarbeit gefertigt, ist ein Gegenstand des täglichen Gebrauchs geworden, erschwinglich für (fast) jedermann, ein Massenprodukt. Kein (oder nur sehr fundamentalistischer) Zweifel: der Lebensstandard ist gestiegen.

Aber die reine Freude kommt nicht auf:

Massenproduktion bedeutet hohen Einsatz von Kapital in Maschinen und Automaten, Kapital wird nur eingesetzt wenn und wo es sich rentiert, Rendite bedeutet Auslastung der Maschinen, also hohen Ausstoß an Produkten, letztlich Zwang zur unentwegten Steigerung der Stückzahlen. Das geht nur gut, solange der Markt alles aufnimmt, was auf Rendite komm raus produziert wird, also nicht beliebig lange. Dann beginnt der Kampf um Marktanteile und – nach der Rationallsierung des Produkts – die Rationalisierung des Arbeitsplatzes bis zum letzten Handgriff: REFA ante portas. Die Arbeitsbedingungen werden mieser statt besser; Abgruppierungen, Kurzarbeit, Entlassungen drohen.

Und die Sache geht immer noch weiter. Während die Konstrukteure noch schöpferische Pause haben, wird sie weitergetrieben von Marketingstrategen, REFA- Ingenieuren, Designern (wie verschaffe ich einem billigen Produkt ein teures Aussehen?) und – neuerdings – den Qualitätsfachleuten. Die fragen – mit gespielter Harmlosigkeit – nach der Definition von „Qualität” und geben gleich selbst die Antwort: Qualität ist ein relativer Begriff, orientiert an Verwendungszweck und Preis des Produkts, dessen Produktion also auf ein zu definierendes Optimum zu steuern ist, nicht auf das absolute Maximum des Machbaren. Es entsteht eine neue ingenieurwissenschaftliche Disziplin, die mit dem Instrumentarium der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie die Qualität nicht nur zu überwachen sondern auch zu prognostizieren und zu steuern gestattet.

Es ist anzumerken, daß bis heute selbst die meisten Ingenieure – möglicherweise: gerade die Ingenieure! – die größten Schwierigkeiten haben, die Aussagen der Qualitätstheoretiker richtig zu kapieren. Der Kernsatz dieser Aussagen lautet, kurz gesagt: Alles technische Erzeugnis funktioniert nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, die jedenfalls kleiner ist als 100 %.

Die Differenz auf 100 % ist dann die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls, möglicherweise des Unfalls. Mit überproportional steigendem Aufwand läßt sich die Ausfallwahrscheinlichkeit immer kleiner machen – aber eben niemals zu Null. Diese prinzipiell unvermeidbar verbleibende Ausfallwahrscheinlichkeit ist als „Restrisiko” zu trauriger Berühmtheit gekommen. Die Zahlen, mit denen da hantiert wird, sind – auch ohne Mogeln – allesamt so nahe bei Null, daß es auf eine Zehnerpotenz weniger nicht anzukommen scheint, vor allem, wenn damit die Herstellkosten drastisch gesenkt werden können. Denn es gilt natürlich auch die Umkehrung: eine minimal höhere Ausfallwahrscheinlichkeit zulassen spart überproportional Aufwand.

Aufgabe der Qualitätssteuerung ist es also, die Qualität auf einen Stand zu bringen (und diesen haarscharf einzuhalten), der im Rahmen der Kalkulation (inklusive Garantieleistungen) als optimal errechnet worden war.

Anders ausgedrückt: zu hohe Qualität ist hinausgeschmissenes Geld, zu niedrige aber auch, denn sie hat, neben zu hohen Garantieleistungskosten, saure Kunden und letztlich Absatzstockungen zur Folge. Das klingt zunächst sehr überzeugend; unter Konkurrenzdruck ergibt sich ein Selbststeuerungseffekt, der ganze Branchen auf ziemlich einheitliche Qualitätsniveaus einpegelt. Zugleich aber ist der erste Schritt auf einen abschüssigen Weg getan: Der gleiche Druck wird dazu führen, daß dieses Niveau unaufhaltsam sinkt, sehr langsam zwar, aber stetig.


Exkurs in die Familiengeschichte


Um das Jahr 1850 herum leistet sich mein Urgroßvater seine erste Taschenuhr, nur sonntags, sichtbar, an einer Kette über dem Bauch zu tragen. Weder ihm noch dem Uhrmacher wird die Idee gekommen sein, daß dieses gute Stück jemals irreparabel kaputt sein könnte. 120 Jahre später habe ich mir eine (nach Kaufkraft und Einkommen umgerechnet) ungefähr ebenso teure Markenuhr spendiert, aber weder ich noch der Verkäufer sind auf den Gedanken verfallen, sie sollte mich als Erbstück um Generationen überleben. Uropas Uhr geht immer noch. Sie liegt ziemlich nutzlos in meinem Schreibtisch herum, denn sie geht, konstruktionsbedingt grauenhaft ungenau.

Wenn die Batterie meiner supergenauen Quarzuhr leer ist, geht sie überhaupt nicht mehr. Ausgetauschte Batterien müssen entsorgt werden, denn der Inhalt ist giftig. Fortschritt?

Inzwischen ist die schöpferische Pause der Konstrukteure ausgefüllt mit Detailänderungen; sie lernen, daß die Rationalisierung der Fertigung schon bei der Entwicklung beginnt, fertigungsfreundliches Design nennt man das. Nur im günstigsten, also seltenen Fall hat der Kunde keine Nachteile, aber vor dem betriebswirtschaftlichen Suppentellerhorizont stimmt die Kalkulation.

Den nächsten Innovationsimpuls liefert die Kunststoffchemie, die inzwischen das ArmeLeute-Image von Igelit und Bakelit abgeschüttelt hat und eine breite Materialpalette anbietet: plastisch, elastisch, hart, zäh, abriebfest, hitzebeständig und in vielen Farben. Die zweckentsprechende Auswahl ist schon eine Wissenschaft für sich. Gemeinsame und für den Konstrukteur hervorragende Eigenschaft ist die hohe Formbarkeit: fast alle Kunststoffe lassen sich in komplizierte und hochgenaue Formen spritzen oder pressen. Die Oberfläche solcher Teile, nach Wunsch glatt, mattiert oder geriffelt, bedarf keiner Nachbearbeitung. Aufgrund der Materialeigenschaften sitzen Schneideschrauben ohne Sicherungsscheiben fest, beim Eindrehen gibt es keine gefährlichen Späne. Bei Elektrogeräten entfallen aufwendige Schutzmaßnahmen, denn das Material ist ein hervorragender Isolator.

Allerdings sind die verwendeten Mehrfach-Spritzformen sehr teuer, Herstellung und nachträgliche Änderungen sehr langwierig und kompliziert. Ihre Standzeit ist begrenzt, d.h. nach einer bestimmten Zeit sind die Formen verschlissen und die Spritzteile nicht mehr maßhaltig. Das Verfahren rentiert sich nur in der Großserie. Die hohe Genauigkeit der Spritzteile in Verbindung mit den elastischen Eigenschaften des Materials führt zwangsläufig zu Konstruktionen, deren Einzelteile überhaupt nur noch durch Schnappund Klemmverbindungen zusammengehalten werden, allenfalls hält eine letzte Schraube das Ganze zusammen. Damit ist die Schwelle zur nichtlösbaren Verbindung erreicht, manchmal schon stillschweigend überschritten, denn solche Verbindungen lassen sich nur noch schwer lösen ohne die winzigen federnden Kunststoffnasen abzubrechen.


Die Rastnasen kommen


Die Rationalisierung (sprich: Verringerung der Herstellkosten) wird aus der Sicht des Konsumenten ad absurdum geführt durch immer umständlicher (sprich: teurer) werdende Reparaturen, die leicht bis zur Höhe des halben Anschaffungspreises auflaufen können, in absoluten Zahlen auf einige hundert Mark. Davon gehen mindestens 70 % auf Montagekosten, das Ersatzteil selbst kostet im Extremfall nur Pfennige. Den Rationalisierungsfachmann stört das nicht, darf es nicht stören, sonst müßte er seinen Job an den Nagel und sich selbst gleich daneben hängen. Sein Credo lautet: „Der Reifezustand einer Konstruktion ist umgekehrt proportional der Zahl der verwendeten Schrauben.” (0-Ton!) Damit ist der nächste und endgültig letzte Schritt schon wieder programmiert: Wenn Reparaturen aus wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn haben, kann auf die technische Möglichkeit auch gleich verzichtet, die Technik der lösbaren Verbindung aufgegeben werden. Den Konstrukteuren ist das recht, die Rastnasen können jetzt auch so plaziert werden, daß sie innen liegen, d.h. im zusammengebauten Zustand unsichtbar und unzugänglich. Einmal zusammengefügt, gehen die Teile nie wieder auseinander. Für besondere Fälle wird auch noch die Abreißschraube erfunden, die nur ein – aber nicht wieder ausgeschraubt werden kann. Der Schritt in die Wegwerftechnik ist vollzogen.

Ist das nun die Eigengesetzlichkeit der technologischen Entwicklung? Hätte, wenn es ein Office of Technology Assessment bei (beim, kpt) Areopag von Athen gegeben hätte, dieses der Erfindung des Archytas die Zulassung verweigern müssen?

Das ist natürlich der reine Quatsch.

Die scheinbare Eigengesetzlichkeit der technischen Entwicklung steckt in Wahrheit in den ökonomischen und gesellschaftlichen Vorgaben des Auftrags an die Techniker. Unter anderen Vorgaben würden ganze andere Technologien entwickelt, und, wenn diese Vorgaben demokratischer Konsensbildung unterliegen würden, Eigengesetzlichkeit überhaupt nicht entstehen können.

"Es gibt keinen inwendigen Drang an sich, etwas zu erfinden. Immer ist ein Auftrag dazu nötig, der Wasser auf die geplanten Räder gießt.” (Bloch)

Wenn dieser Auftrag von der Profitwirtschaft erteilt wird, kommt die technische Utopie der Abschaffung von Mühseligkeiten auf den Hund. An einen Fortschritt, dessen einziger Indikator noch die Börsenkurse sind, kann nicht einmal mehr blind geglaubt werden.

"Mit dem Abflauen des Fortschrittglaubens, der als metaphysisches Banner über den Fabriken flatterte, trat der Glaube an die nackte Produktion als Zweck an sich hervor …” (S. Giedion, Die Herrschaft der Mechanisierung, EVA 1982, geschrieben 1941-45).


© Hans-Jürgen Seidel/express Zeitung für Betriebs- und sozialistische Gewerkschaftsarbeit, Offenbach




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