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Klaus-Peter Thiele


Der Rote Punkt als Open/Public Source Projekt


Ein Vorschlag, die hannoversche ‚Rote-Punkt-Aktion’ unter den Bedingungen von Internet, GPS/Galileo und UMTS neu zu überdenken


Die Rote-Punkt-Aktion am Ende der 60er Jahre versuchte den individuellen Anspruch auf bezahlbare Mobilität, der durch das alte Tarifsystem nicht mehr ausreichend erfüllt zu werden drohte, durch eine öffentliche Non-Profit-Organisation der Mitfahrgelegenheiten zu befriedigen: Autofahrer boten ansonsten privat ungenutztes Mitfahrpotential öffentlich durch Anbringung eines Roten Punkts an der Windschutzscheibe und/oder durch Ansteuerung von Haltestellen an. Die Mitfahrenden klinkten sich ein in Mobilitätsbewegungen, die ohnehin in Form von anderweitig veranlassten Fahrten stattfanden. Heraus kam dabei ein System, das eigenartigerweise nicht nur die unmittelbaren (Mitfahr-)Bedürfnisse befriedigte, sondern bisher ungeahnte Mobilitätspontentiale nutzbar machte und darüber hinaus eine Ahnung von einem gesellschaftlichen sozialen und ökonomischen Reichtum vermittelte, der individuell und öffentlich anzueignen war, wenn man die Bedürfnisbefriedigung nach Mobilität aus ihren privatwirtschaftlich verengten Bedingungen befreite. Die Rote-Punkt-Aktion endete formal mit der Ankündigung eines neuen Tarifangebots, des späteren Großraumverkehrsangebots. Die öffentliche Ausschöpfung der in der Aktionszeit offenbar gewordenen sonst ungenutzten Mobilitätspotentiale versickerte in diesem Großraumtarifangebot und in privaten Mitfahrgemeinschaften, Mitfahrerzentralen- und Taximitfahrt- bzw. Anhalter-Angeboten. Der spätere Protest gegen die Einführung des Mehrzonen-Tarifsystems entwickelte keine praktischen Alternativen.


Mit heute oder zukünftig zur Verfügung stehenden neuen Techniken und durch Umweltkrisen und neue soziale Bewegungen sensibilisierten Haltungen scheint es mir möglich, neu über eine Rote-Punkt-Organisation für den Verkehr (zunächst) in der Region Hannover nachzudenken und ggf. konkrete Forschungs- bzw. Pilotvorhaben vorzuschlagen. Wie es im Energiebereich nicht nur um eine Effektivierung bekannter Verfahren geht, so kann auch im Verkehrsektor eine qualitative Neubestimmung über die Erschließung von (Einspar-)Potentialen mit Hilfe neuer Technik und Kommunikationsmöglichkeiten erfolgen. Auch kann ein solches Vorgehen seinerseits zur Herausbildung eines zusätzlichen Mobilitäts-Potentials und einer Kommunikationstechnik (z.B. in Form einer “Killerapplikation” für die UMTS-Technik) beitragen bzw. eine bestehende Technik wie die von Privatautos und öffentlichen (Nah-)Verkehrsangeboten in einem neuen Gemisch aus technischer Kooperation und serviceorientierter Konkurrenz optimieren helfen.



Näher auszuführende Konzeptelemente


Anmeldung geplanter Bewegungen

Ein computergestützter Datenpool (im Folgenden nur noch “Pool”) wird gespeist aus einer Sammlung von

(geplanten oder schon laufenden) Bewegungen mit den Parametern

Bewegungssubjekte: Anbietende, Fahrer, Geher

Bewegungsobjekte: Nachfragende, Ladung (Mensch, Objekt/e), Gefährt (Fahrrad, Motorrad/-roller, Auto, Bus, Straßenbahn)

(geplanter) Ausgangspunkt und Zielpunkt, ggf. via Zwischenziel/e

Ausgangszeit und Ankunftszeit

Ausgangskapazität (Sitzplätze, Ladung, mögliche Zuladung) und Maximal- bzw. Optimalkapazität

Ziel- bzw. Durchschnittsgeschwindigkeit, Priorität/en

Kommunikative Erreichbarkeit: genutzte Medien, Aufenthalt im öffentlichen, teilöffentlichen und/oder privaten Raum, im UMTS-Netz oder über Telefon- bzw. Funknetz im Internet eingebucht, öffentliche Accesspoints.

Diese Daten werden übermittelt durch

Eingabe in einen Routenplaner oder eine Internetsite per PC, Notebook, PDA, UMTS-Gerät,

Telefonische Meldung über (Mobil-)Telefon an Call Center Agent, Spracherkennungssystem

Automatisches GPS- und/oder UMTS-gestütztes Trackingsystem


Hieraus werden Bewegungsmöglichkeiten ermittelt, die – analog der efa im Internet - einen oder mehrere Vorschläge umfassen für Mobilitätsangebote

Weg

Verkehrsmittel

Antritts- und Ankunftszeit

(Mit-)Fahrgelegenheiten

Transportkosten


Diese Angebote werden den Anbietenden/Nachfragenden übermittelt per Bildschirmanzeige bzw. Mail auf PC, Notebook, PDA, UMTS-Gerät, Anzeigedisplays in Bahnen, Bussen, Autos bzw. an Haltepunkten von Bahnen, Stadtbahnen, Bussen, Taxen

Telefonische Meldung über Call Center Agenten, Sprachübermittlungssystem


Nachfragende entscheiden sich für eine (Mit-)Fahrgelegenheit und übermitteln diese an den Pool zurück, der seinerseits Bedarfsmeldung an Mobilitätsanbieter übermittelt.

Diese entscheiden ihrerseits, ob sie Mit-Fahrwunsch akzeptieren.

Bei Ablehnung überprüft Pool weitere Mobilitäts-Alternativen und steigt in eine neue Vorschlagsrunde/Iteration ein.

Bei Zustimmung übermittelt Pool gegenseitige Zustimmung und führt zustimmende Anbietende und Nachfragende zeitlich und örtlich zusammen.


Kosten der Mitfahrt werden berechnet und bei dem Pool gemeldetem erfolgreichen Abschluss der Fahrt vom Pool dem Mitfahrenden ab- und dem Anbietenden bargeldlos zugebucht.


Mögliche Projektschritte

Aufklärung, Sichtung und Veröffentlichung bereits existierender Techniken und Organisationskerne

Organisatorische Projektkerne um begrenzte Einzelvorhaben: z.B. Einrichtung erster, kleiner Pools im Zusammenhang des teilAuto-Projekts, Mitfahrangebote in Uni, FH, Schulen und (Groß-)Unternehmen

Koordinierung/Selbstregulierung der diversen Projektbereiche


Mögliche Probleme/besondere Aufgaben

Datenschutz: Speicherung der Vorgänge und Zugriff auf diese Daten, z.B. Anbietende und Nachfragende müssen Informationsausschlussmöglichkeiten haben (z.B.: Mein/e Angebot/Nachfrage soll folgenden Personen bzw. Institutionen nicht bekanntgemacht werden...)

Identifizierung, Gestaltung und Durchsetzung offener Standardschnittstellen und –verfahren für den Informationsaustausch

Gewerblich Anbietende empfinden Pool-Tätigkeit als geschäftsschädigende Konkurrenz (obwohl der Pool auch der Optimierung der eigenen Auslastung dienen kann)

Abrechnung der Vorgänge: z.B. mobiltelefongestütztes Micropayment, Berechnung und Verteilung eines angemessenen Preises der im Projektrahmen erbrachten Leistungen auf Selbstkosten- bzw. Non-Profit-Basis

Missbrauch: z.B. Angebot wird trotz Akzept nicht korrekt von Anbietendem bzw. Nachfragendem wahrgenommen, Identitätsschwindel von Anbietenden bzw. Nachfragenden

Öffentliche Darstellung des Vorhabens: Gesamtheit des Projekts sollte von Beginn an öffentlich zugänglich und damit einsehbar/kontrollierbar sein

Durch Pool ggf. zu schöpfender Mehrwert bzw. Erkenntnisgewinne sollten in öffentlicher Hand (Stiftung?) bleiben und nicht nur privat angeeignet werden.


Mögliche Partner/Adressaten

Ökostadt/teilAuto, Carsharing-Gruppen, VCD, ADFC, ADAC, ACE, Umweltzentrum

Stadt Hannover: z.B. Amt für Koordinierung, Controlling und Stadtentwicklung, Amt für Umweltschutz, Amt für zentrale Dienste, Hannover Tourist Service, Ref. für Kommunikation, Straßenverkehrslenkung

Region Hannover

Parteien, (Kommunal-)Parlament

Gewerkschaften, Seniorenvereinigungen, Vereine, Stadt(teil-)bibliotheken, Verbraucherzentrale VZN, Kirchen, Polizei

DB Bahn, üstra, GVH, Move, andere Regionalverkehrsanbieter, Taxiunternehmen bzw. -verbände, Speditionen, Kuriere, Reisebüros, Mitfahrzentralen, efa

Automobil- und Autozubehörunternehmen (Produzenten wie Volkswagen, Continental und Bosch/Blaupunkt, später Werkstätten, Tankstellen)

Forschung Anbietende bzw. Nachfragende wie öffentliche Universitäten/Fachhochschulen und privatwirtschaftliche Unternehmen/Institute in Hannover und Hildesheim, Flughafen, Kaufhäuser und große Einkaufszentren, Tourismusziele, Veranstaltungszentren, Deutsche Messe AG, CCH

(Tele-)Kommunikation anbietende: (Mobil-)Telefongesellschaften (Deutsche Telekom), (Fernseh-/Rundfunk-)Sender per Video-/RDS-Text (Offener Kanal, Radio Flora, NDR, ffn, Antenne, Radio 21), Kabelfernsehanbieter, Stromversorger

(Stadt-)Zeitschriften- bzw. Zeitungsverlage (Madsack, Heise mit c’t und Telepolis, Schlütersche)

Telekommunikations/Computerunternehmen: Produzenten, Systemhäuser, Händler, Softwareanbieter (z.B. Distefora GmbH mit PDA/GPS-gestütztem Autonavigationssystem in Deutschland, Route 66 in Holland)

(Groß-)Veranstalter: Hannover Concerts, Hannover 96

Wohnungsbauunternehmen: z.B. Gundlach, GBH


Hannover, d. 15.4.2002/27.3.2006 Per eMail an diverse Adressaten übermittelt.


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