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Klaus-Peter Thiele


Das Programm ‘Computer und Schule’ der niedersächsischen Landesregierung – ein bildungs- und finanzpolitischer Flop?




Vorbemerkung: Der mir im Herbst 1988 von der Landtagsfraktion der N.N. (anonymisiert, KPT) in Niedersachsen erteilte Arbeitsauftrag lautete, im Rahmen eines Exposés über die Ziele und die Durchführung des Programms ‘Neue Technologien und Schule’ der Niedersächsischen Landesregierung Fragen nach theoretischen, praktischen und finanziellen Schwachpunkten des Programms zu formulieren. Zur notwendigen Begrenzung des Arbeitsumfangs habe ich weder die allgemeine Erwachsenenbildung noch die Berufsbildenden Schulen berücksichtigt, sondern meine Überlegungen auf die allgemeinbildenden Schulen des Sekundarbereichs I und II gerichtet. Für diese Arbeit standen mir die im Anhang angeführte Literatur sowie unsystematische Gespräche mit zwei Kommissionsmitgliedern als Informationsgrundlagen zur Verfügung. Außerdem beziehe ich mich auf Erfahrungen, die ich als Teilnehmer der Tagungen „’Videoterror’…” (Reichardt 1985) und „Neue Technologien und Schule” (LOCCUM I), als Trainer für Computeranwendungen im Bereich ‘Desktop Publishing’ in der Erwachsenen-Fortbildung, sowie als Mitbegründer des Ton- und Videostudios des Seminars für Deutsche Literatur und Sprache der Universität Hannover und als Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Begleitung der Glocksee-Schule Hannover bei der Einführung von Neuen Technologien (NT) an diesen Bildungseinrichtungen gesammelt habe.




Gibt es theoretische und praktische Schwachpunkte im Programm ‘Computer und Schule’?



Die sog. Neuen Technologien sind in Niedersachsen nicht neu.


NT-Elemente gibt es in berufs- und allgemeinbildenden Schulen seit den 60er Jahren, besonders in dem in den 70er Jahren sich bildenden Fach Informatik in der SEK II (MK 1988, 6). 1983 wurde ein erster Landesfachberater für Informatik in der SEK II berufen und Rahmenrichtlinien für dieses Fach erlassen (ebd.). NT-Elemente, z.B. Mikroelektronik, gibt es seit Jahren auch in SEK I-Angeboten in Haupt- und Realschulen (MK 1988, 7). Das Neue in der Entwicklung der letzten Jahre ist eine andere quantitative und qualitative Dimension in der Entwicklung der NT und der pädagogischen Auseinandersetzung mit ihnen:

1.Sie sind zunehmend »integrierte Universalmedien« (Rolff 1986).

2.Sie sollen in den Schulen umfassend in ihrer Vielfalt und Komplexität behandelt werden.

3.Diese Unterrichtsgegenstände sind verpflichtend und für alle (MK 1988, 7).

Die Grundhaltung des Niedersächsischen Kultusministeriums zu den NT zeichnet sich, gegenüber Positionen anderer (besonders CDU-regierter) Bundesländer (vgl. z.B. das Konzept „Informationstechnische Grundbildung” der rheinland-pfälzischen Landesregierung), durch eine differenziertere Betrachtung der mit den sog. Neuen Technologien1 einhergehenden pädagogischen Chancen und Probleme aus. Zentrale Aufgaben des Vorhabens „NT und Schule” sind:

„1.ein curriculares Rahmenkonzept für die informations- und kommunikationstechnologische Bildung zu entwickeln und exemplarische, dieses Rahmenkonzept konkretisierende, didaktisch-methodisch aufbereitete Unterrichtsmaterialien bereitzustellen.

2.Kursleiter für die Lehrerfortbildung vorzubereiten und die Lehrerfortbildung für den Bereich der Neuen Technologien durchzuführen sowie

3.die Voraussetzungen für eine qualitativ angemessene Ausstattung der Schulen mit Rechnern, prozessorgesteuerten Maschinen und anderen Geräten zu schaffen.” (MK 28.2.1986, 2)

Genannt seien in diesem Zusammenhang besonders die anfangs sehr breite und auch kritische Diskussion des Themas auf der ersten Loccumer Tagung (LOCCUM I) und die Grundentscheidung, NT nicht den Informatikern oder Mathematikern allein zu überlassen, sondern von einem fächerintegrativen Ansatz auszugehen: „grundsätzlich alle Fächer – allerdings mit unterschiedlichen inhaltlichen Gewichtungen und spezifischen Zeitanteilen – (können) Beiträge zur informations- und kommunikationstechnologischen Bildung leisten”.2 Dies führt – in relativ kurzer Zeit – zu breiten und vielfachen Anregungen für viele Fächer. Außerdem würde die Angliederung an z.B. Mathematik von vornherein eine Männer-Orientierung bewirken, da dies Fach hauptsächlich von Männern unterrichtet wird, und würde die Grundbildungs-Belastung allein einem Fach aufbürden.

Trotz der grundsätzlich fächerübergreifenden Orientierung des niedersächsischen Programms, sind aber einige Fächer bis heute nicht in die Curriculum-Revision einbezogen: z.B. Latein und Französisch, Sport, Religion und Geschichte. In den neuesten Informationen des MK heißt es dazu lediglich, daß „nicht jedes Fach bei der Konzeption des Modellversuchs berücksichtigt werden konnte”(MK 1988, 10), und es wird nicht begründet, warum sich nicht Französisch z.B. mit Landeskunde per ‘télécommunication’3 oder Übersetzungs-Computer, Sport mit dem zunehmenden Einsatz von NT im Spitzensport auseinandersetzen und warum nicht Religion und Geschichte evtl. wichtige normative und historische Impulse liefern könnten (ebd.).

Auch ein Weg über eine grundsätzliche Blockbildung4 von NT-Elementen in kleinen, überschaubaren Zusammenhängen, z.B. im 7./8. Jahrgang und/oder in fächerübergreifenden Projekten oder Epochen [z.B. nach dem IPN Curriculum (vgl. Bosler 1986, 51) oder nach dem Zürcher ‘Entwicklungsprojekt Alltagsinformatik’ (vgl. Dietiker 1986, 36-41 sowie ausführlich Balderer et al. 1986 und Erziehungsrat 1986] scheint sinnvoll, wurde in Niedersachsen jedoch nicht eingeschlagen. Ich vermute, daß sich mit dem niedersächsischen Ansatz die Hoffnung verbindet, unter den Bedingungen eines Flächen-Bundeslandes schnell ein breit gestreutes Anregungspotential zu entfalten. Generell vermisse ich in den (Selbst-)Darstellungen des KM explizite bildungstheoretische Begründungen für das jeweils gewählte Vorgehen, die eine differenziertere Auseinandersetzung ermöglichen würden.



Bisherige Schritte


Der bisherige Innovationsprozeß lief kurz zusammengefaßt in folgenden Schritten:

Dezember 1982:Oldenburger Grundsatzrede des MK mit der Forderung nach einer umfassenden, gründlichen und vorausschauenden Auseinandersetzung mit den NT in der Schule

Februar 1983:Gründung der Arbeitsgruppe ‘NT und Schule’ im Kultusministerium

14. – 16.10.1983:Auftakt-Tagung ‘Neue Technologien und Schule’ (LOCCUM I)

Februar 1984:Einrichtung von drei Kommissionen für Sachunterricht in der Grundschule, Technikunterricht und Wahlbereich im SEK I

Erweiterung des Dez. 7 im NLI (Arbeitsgruppe NT im Dez. 7) zur Betreuung der Modellversuchs-Kommissionen und Vorbereitung der Lehrerfortbildungs-Maßnahmen im Bereich NT

1.8.1984:Beginn des BLK-Modellversuchs „Entwicklung und Erprobung von Materialien und Handreichungen für Lehrer zur thematischen Behandlung von Neuen Technologien und ihrer Anwendungen im Unterricht der allgemeinbildenden Schulen” [Durchführung: Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung (NLI), Hildesheim], der u.a. die Kommissionsarbeit unterstützen soll. Laufzeit voraussichtlich bis zum 31.7.1989

Berufung von Prof. Hendricks (TU Berlin) zum Leiter eines Projektberatungs-Gremiums (s. unten LOCCUM II)

Ende August 1984:Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Empfehlungen für die Ausstattung der Schulen mit Rechnern, bestehend aus Vertretern des MK und MWK, des Nds. Landesverwaltungsamtes und der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände

Ende 1984:Einrichtung des Computer-Centrums am NLI, u.a. für die landesweite Hard- und Software-Beratung.

Schuljahr 1984/85:Einrichtung von acht Kommissionen für Biologie, Mathematik, Physik im SEK I, Kunst und Musik, Sozialkunde im Gymnasium, Arbeit/Wirtschaft (Arbeitslehre), Medienerziehung in der Grundschule und OS, Informatikanwendungen im SEK I

September 1984:Vorlage einer Grundlagenkonzeption zur Curriculum-Entwicklung im Projekt „NT und Schule”

Einrichtung eines Modellversuchs „Entwicklung und Erprobung von Materialien und Handreichungen für Lehrer zur thematischen Behandlung von Neuen Technologien und ihren Anwendungen im Unterricht der allgemeinbildenden Schulen” (Laufzeit: 1.8.84–30.6./31.7.89)

Januar-März 1985:Bestandsaufnahme über die Rechnerausstattung und unterrichtliche Aktivitäten im Bereich NT an allgemeinbildenden Schulen

4.- 6.2.1985:Tagung ‘LOCCUM II’ mit der Vorstellung erster Arbeitsergebnisse der Kommissionen und der Einführung externer Berater aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien für die Kommissionen

März 1985:Erlaß für die ‘Ausstattung von Schulen mit Rechnern für den Unterricht im Fach Informatik und für den rechnerbezogenen Unterricht an berufsbildenden Schulen im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung’ (SVBl 3/1985)

Schuljahr 1985/86:Einrichtung von sechs Kommissionen für Technik, Chemie, Erdkunde, Englisch, Deutsch und Physik im SEK II und Erweiterung der Kommission Sozialkunde im Gymnasium um Gemeinschaftskunde im SEK II und Wirtschaftslehre

1986:Tagungen ‘LOCCUM III’ und ‘Ethik und Neue Technologien’, bauliche Einrichtung von zehn regionalen Computer-Centren für Lehrerfortbildung (RCC), Beginn der Ausbildung von Multiplikatoren für die Lehrerfortbildung und von Schulaufsichtsdezernenten

Schuljahr 1986/87:Beginn der Erprobung der Unterrichtsmaterialien für die Fächer Biologie, Mathematik, Physik im SEK I, Sozialkunde im Gymnasium, Arbeit/Wirtschaft (Arbeitslehre) durch ausgesuchte Erprobungslehrer (je Materialienband ca. 12 Lehrer, erwartete Gesamtdauer des Erprobungs- und Evaluationsverfahrens bis zum Schuljahr 1991/92), Beginn des Modellversuchs „Mädchen und Neue Technologien”, wissenschaftlich begleitet durch das Institut Frau und Gesellschaft, Hannover (Laufzeit: 1.8.86–31.7.89), sowie Beginn der Entwicklung eines umfassenden Rahmenkonzepts zur informations- und kommunikationstechnologischen Bildung in allgemeinbildenden Schulen in einem weiteren Modellversuch des NLI (Laufzeit: 1.7.86–31.12.90/geplant bis 1993)

1987:Beginn der flächendeckenden Lehrerfortbildung von insgesamt ca. 24.000 Lehrpersonen (einem Drittel der niedersächsischen Lehrerschaft) und des Unterstützungsprogramms des Landes für die kommunalen Schulträger: Sie erhalten bei der Beschaffung von empfohlenen Geräten im Laufe von vier Jahren vom Land einen Zuschuß von 25% der Investitionskosten. Gesamtumfang des Programms: 20 Millionen DM5

Erlaß ‘Ausstattung von Schulen mit Rechnern für den Unterricht. Hier: Empfehlungen zur Ausstattung von allgemeinbildenden Schulen in den Sekundarbereichen I und II.’ (SVBl 1/1987)

1988:Weitere Modellversuche zu den Themen „Informations- und kommunikationstechnologische Bildung und die Schule für Lernbehinderte” (Laufzeit: 1.10.88– 31.12.91), „Ethik und Neue Technologien” (Laufzeit: 1.8.88–31.7.91)

1989:Weiterer Modellversuch „Beitrag der Grundschule zu einer informations- und kommunikationstechnologischen Bildung” (Laufzeit: 1.7.89–31.6.92)



Die grundsätzliche Richtung scheint akzeptabel


Die Beurteilung der Chancen und Risiken der NT, die Einrichtung von Schulversuchen zu speziellen Einzelthemen, die Erprobung von Einzelbeiträgen, die in Kommissionen erarbeitet wurden, durch ausgewählte Lehrpersonen scheint grundsätzlich richtig zu sein (Einschränkendes s. u.). Auch die Verteilung der Lehrerfortbildungsangebote auf zehn über das Land verteilte regionale Computer-Centren (RCC)6 und Multiplikatoren, die dann lokal als TutorInnen an ihrer Schule für ihr Kollegium tätig werden, erscheint mir unter den Bedingungen des Flächenlandes Niedersachsen als angemessen (vgl. die Abb. 1, die den Bedeckungsgrad des Landes durch die zehn RCC und das NLI in Hildesheim mit ihren jeweiligen 50-km-Umkreisen darstellt). Allerdings werden – nach meinen bisherigen Erfahrungen mit NT-Innovationsprozessen – weitere lokale Zwischenschritte in der Form schulübergreifender Angebote für interessierte LehrerInnen im Bereich einer Großstadt oder ländlich/kleinstädtischen Region, z.B. im Rahmen eines menschlichen „Selbstbildungs-Netzwerks” sinnvoll sein.7

Die Integration und Beurteilung der Einzelbeiträge der einzelnen Fächer in einem Gesamt-/Rahmenkonzept (Modellversuch) verfolgt einen sehr hohen Anspruch (s. die Ziele auf 11f. der KM Informationen 1988). Erste und weitere Grundlagen sollen dazu die Modellversuche ‘Entwicklung und Erprobung von Materialien’, ‘Mädchen und NT’ und ‘Ethik und NT’ liefern (ebd., 12). Das Rahmenkonzept wird Aussagen treffen über: Lehr-/Lernziele, Verteilungspläne, sach- und altersgemäße Schulformbezuge, Platzierung im Fachunterricht oder an Projekttagen oder in fächerübergreifenden Einheiten oder an mehreren Lernorten.



Aussagen über Eignungsvoraussetzungen fehlen.


Die Beratung der Fachkommissionen durch „Experten” aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien ist vom Ansatz her sicher richtig.8 Aber es wird in den MK-Veröffentlichungen nichts über die Auswahl- bzw. Beurteilungskriterien für ihr Expertentum gesagt. Waren die bloße Funktionsinhabe und Abkömmlichkeit die Kriterien? Hiermit soll nicht unterstellt werden, das KM habe sich Gefälligkeitsexperten bestellt: Die in LOCCUM II veröffentlichten Protokolle sprechen dagegen. Aber unter dem schlichten Gesichtspunkt einer Auswahl nach gesellschaftlicher Repräsentativität ist z.B. zu fragen, warum unter den Experten radikale Kritiker mit Positionen ähnlich denen der noch auf der Auftaktveranstaltung LOCCUM I vertretenen Ulrich Briefs oder Bernd Lutterbeck fehlen?

Ähnlich lautende Fragen sind an die Auswahl der in den Kommissionen arbeitenden „rund 150 Lehrer”(MK Informationen 1988, 10) und der Multiplikatoren, die nach den MK-Planungen „den Hauptteil der zukünftigen Lehrerfortbildung”(MK Informationen 1988, 11) tragen, zu richten: Wie hoch ist der Frauenanteil? Setzt sich vielleicht die durch die Abkoppelung vom Fach Informatik vermiedene Männer-Orientierung doch durch?9 Nach welchen Qualifikationsprofilen wurden sie von wem ausgesucht?

Die MK-Erlasse/-Konzepte enthalten außer der Bezeichnung, „zehn ausgewählte Versuchsschulen”(MK Informationen 1988, 12) sollten das Rahmenkonzept erproben, und „ausgesuchte” Erprobungs- und Überprüfungspersonen oder die sog. Multiplikatoren müßten vertiefte Kenntnisse der NT besitzen, keine Beschreibung ihrer Qualifikationsprofile. Weizenbaum weist zurecht darauf hin, der Lehrer müsse „…mehr als nur eine Metapher lehren und er muß mehr durch das Beispiel seines eigenen Verhaltens wirken als durch das, was er an die Tafel schreibt.” (Weizenbaum 1978, 362) Die Betonung der Kenntnisse der Multiplikatoren entspringt vielleicht nur einem kognitivistischen Lehr-/Lernmodell der für die Auswahl Verantwortlichen, vielleicht setzt sich hier aber hinterrücks eine nur technikfreundliche, nicht notwendig humanistische Haltung durch (MK Informationen 1988, 9) Dabei ist aus der Analyse von Innovationsprozessen in Wirtschaft und Verwaltungen hinreichend bekannt, welchen Stellenwert die persönlichen, menschlichen Qualitäten der InnovatorInnen und die von ihnen verwendeten Durchsetzungsstrategien haben (vgl. Horst Kern 1986).

Die Verantwortlichkeit für die Lehrerfortbildung in NT und die Durchführung der beiden grundlegenden Schulversuche wurde dem NLI in Hildesheim übertragen (s. Abb. 2). Hatte das NLI die Technik und die Erfahrungen, die diese Entscheidung begründen könnten? Wer betreute die alten Schulversuche, z.B. das sog. „Informatik-Projekt Hannover” (MK Informationen 1988, 7)? Oder gab es andere Gründe, z.B. eine klarere Weisungsbefugnis des KM für das ausführende NLI? Warum wurden nicht auch die niedersächsischen Hochschulen, die in der Lehrerausbildung zunehmend über freie Kapazitäten verfügen, umfassend mit einbezogen?10 Dies hätte auch die Integration von NT in die Lehrer(erst)ausbildung gefördert. Vielleicht findet sich hierzu im Rahmenkonzept des MK auch nur deshalb nichts, weil er diese Aufgabe eher dem Kabinetts-Kollegen MWK überlassen möchte. Oder hat hier die Landesregierung bereits weise die heutige allgemeine Überlastung der Hochschulen vorausgeahnt?

Die Kursleiterausbildung innerhalb der Lehrerfortbildung beinhaltet einen Rückmeldungsfragebogen (MK Informationen 1988, 41) zu Kurskonzeption, Inhalten und Themen, Arbeitsweise des Kurses. Welche Tendenz(en) kann die „Auswertungsgruppe des NLI” bisher feststellen? Wird in der Lehrerfortbildung wirklich „flexibel auf Wünsche und Vorstellungen der betroffenen Lehrer” (MK Informationen 1988, 41) reagiert?




Unklarheiten in der Hard- und Software


Das Überprüfungskonzept (KM Informationen 1988, 40 f.) enthält kein ausdrückliches Moment der Hard- und Software-Auswahl, -Erprobung und -Revision (s. auch Skizze in KM Informationen 1988, 8; dazu hier Abb. 3 auf S. 5). Vielleicht spiegelt sich darin nur ein fehlendes Problembewußtsein hinsichtlich der didaktischen Relevanz der verwendeten Hard- und Software, wie es sich beispielhaft bei Wolfgang Kern (in LOCCUM II, 144) äußert: „Wenn Sie die Fahrschule machen, dann brauchen sie nicht unbedingt im neuesten Modell irgendeines Automobilherstellers zu sitzen. Wichtig ist, daß Sie die Grundbegriffe des Fahrens erlernen. Diese können Sie dann auch immer auf das neueste Modell übertragen.” Diese Analogie übersieht leider, daß zwischen unterschiedlichen Computersystemen heute  – und zukünftig – ganze Welten liegen.11  Mit dem einen System kann man tatsächlich bequem, schnell, sicher und in vielen Richtungen losfahren, während sich die anderen eher zu Übungsplatz-Runden eignen, für die man vielleicht aber kostengünstiger einen Demonstrationscomputer sowie einen Klassensatz von dem sehr anschaulichen Werk „Inside The Personal Computer”(s. Literatur) anschaffen könnte.

Der Landeselternrat bemerkt in seinen ‘Informationen für Elternvertreter’ kritisch: „Obwohl feststand, daß die unterrichtliche Umsetzung des Vorhabens erst in den neunziger Jahren beginnen kann, wurde für die kurzfristige Anschaffung von Computern ein Betrag von DM 80 Millionen veranschlagt. Die Schulträger haben sich in großer Zahl von dem in Aussicht gestellten 25%igen Zuschuß der Landesregierung bei der Anschaffung zu hohen Investitionskosten verleiten lassen, obwohl für das Integrationsmodell u. U. auch einige Demonstrationscomputer genügt hätten. Auch die Tatsache, daß die Ausstattungsrichtlinien in Kraft traten, ehe die Ergebnisse der Kommissionen vorlagen, ist bedenklich. (…) In den neunziger Jahren, wenn es dann richtig losgehen soll, wird Niedersachsen dann im Besitz eines riesigen Computermuseums sein.”(Landeselternrat 1987/88, 2) Dem bleibt nur hinzuzufügen, daß das Förderprogramm des Landes 1989 ausläuft, somit also keine Anschaffungsförderung mehr zu erwarten ist, wenn 1992 die diversen Erprobungs- und Evaluationsverfahren Ergebnisse über Eignung oder Nichteignung von Unterrichtskonzepten, Materialien und Handreichungen, Hard- und Software geliefert haben.

Läßt einen diese Tatsache schon etwas ratlos zurück, so erhöhen sich die Verständnisschwierigkeiten erheblich, schaut man sich die Empfehlungen des MK zur Ausstattung von allgemeinbildenden Schulen in den Sekundarbereichen I und II mit Rechnern etwas näher an. Nachdem – per MK-Erlaß im Januar 1987 – das Betriebssystem MS-DOS zum (einzigen?) Standard erklärt worden ist, deuten die MK Informationen vom Januar 1987 an, daß besondere „Schnittstellen und Computer” für den naturwissenschaftlichen, technischen oder künstlerischen Bereich „in den Förderrichtlinien nicht erwähnt” seien. „Das bedeutet nicht, daß ihre Anschaffung unzulässig oder unnötig sei.”(MK Informationen 1987, Stichwort ‘Ausstattung’ o.S.) Nach den erläuternden Ausführungen zum MK Erlaß in zwei Aufsätzen von Hischer et al. und Borsum/Schwarzer12 im nichtamtlichen Teil des SVBl 1/1987 sind diese – im berechtigten Umkehrschluß wohl auch zulässigen und nötigen – Anschaffungen aber von der Förderung durch das Land oder den Schulträger ausgeschlossen (vgl. Hischer et al. 1987, 17 und Borsum/Schwarzer 1987, 19). Hischer et al. erläutern im Nichtamtlichen Teil – nach dem reaktionellen Vorspann – die im Amtlichen Teil des SVBL 1/1987 abgedruckten Empfehlungen des MK aus der Sicht des Kultusministeriums und Borsum/Schwarzer aus der Sicht der Schulträger. Interessanterweise wird in beiden Aufsätzen der Eindruck erweckt, bei der im Erlaß als Soll-Bestimmung enthaltenen Empfehlung zugunsten des Betriebssystems MS-DOS handele es sich eigentlich um eine Muß-Bestimmung. Und dies mit – gelinde gesagt – selber erläuterungsbedürftigen Formulierungen wie: Der Erlaß fordere „MS-DOS-fähige Rechner”(Hischer et al., 15; Hervorhebung KPT), ermögliche also auch die Anschaffung höherwertigerer, abwärts-kompatibler Geräte (wie z.B. UNIX- oder Macintosh-Rechner), während diese Formulierung aus der Sicht der offenbar um Kostenminimierung bemühten Schulträger restriktiv ausgelegt wird: «Die neuen Empfehlungen stellen hinsichtlich der Kompatibilät praktisch auf den Industriestandard, auf die sogenannte „IBM-Kompatibilität” ab.» (Borsum/Schwarzer 1987, 19; Hervorhebungen KPT)

Aus dieser unklaren Erlaßlage heraus überrascht es nicht, daß in keiner der mir vorliegenden Erprobungsfassungen für Materialien und Handreichungen der Hinweis fehlt, die z.T. beigefügten Erprobungsprogramme seien „… von Lehrern auf den jeweils verfügbaren Rechnern entwickelt worden, die z.T. nicht den Ausstattungsempfehlungen des Landes entsprechen. Es ist beabsichtigt, die in der Erprobung positiv bewerteten Programme auf die empfohlenen Betriebssysteme zu übertragen.”13  Wenn dies zutrifft, würde es bedeuten, daß mindestens die Erprobungsschulen, die (lt. MK vom 25.4.1986, 2) zunächst vorrangig mit Hard- und Software ausgestattet werden, z.T. nicht den Ausstattungsempfehlungen des Landes entsprechend ausgerüstet sein müßten. Eine eigentümliche Erprobungssituation…

Am offensichtlichsten wird dieses Manko an einem Schülerzeitungs-Beispiel in der Erprobungsfassung Deutsch (102-104): Das von den SchülerInnen verwendete Programm beherrscht keine deutschen Umlaute und Sonderzeichen. Sicher verschmerzbar unter dem Gesichtspunkt einer anwendungsbezogenen Erprobung dieser NT, aber bedenklich angesichts drohender Dequalifizierungstendenzen durch NT. Denn hierin liegt die eigentliche Problematik der offenbar aus Kompromißgründen zwischen den eher pädagogisch argumentierenden MK-Vertretern und den eher finanziell motivierten Vertretern der Schulträger ausgehandelten, unklaren Formulierungen der Ausstattungsempfehlungen des Landes: Sie drücken sich um die klare Aussage, daß aus pädagogischen Gründen der MS-DOS-Standard eigentlich nur als Minimalanforderung betrachtet werden kann, der aber aufgrund seiner zugrundeliegenden Hardware- und Softwarearchitektur – trotz hoher Marktdurchdringung – von der Entwicklung bereits überholt ist. Und dies nicht allein aus Gründen, die sich eher aus schlicht technisch-ökonomischen Erwägungen ergeben14, sondern aus dem Beitrag, den die jeweils verwendete Hard- und Softwarearchitektur zur Realisierung und Entwicklung der Ausdrucksmöglichkeiten der AnwenderInnen – und damit zu ihrer Bildung im umfassenden Sinne – leistet.15 So ließe sich die Forderung des MK, dem Angriff der Neuen Technologien auf unsere Lebenswelt sei durch Bewahrung und Stärkung der „sozialen, kommunikativen, ästhetischen, künstlerischen, musischen und handwerklichen Fähigkeiten junger Menschen”(MK 28.2.1986, 9) zu begegnen, flankierend auch durch eine Änderung der Anschaffungspolitik erfüllen. Dann könnte Hard- und Software angeschafft werden, die ihrerseits so intuitiv und kreativ einzusetzen ist, daß die geforderte ästhetisch-polytechnische Bildung (im umfassenden Sinne) mit ihr und nicht kompensatorisch neben ihr oder gar gegen sie zu verwirklichen wäre.



Exkurs zu Hard- und Software-Qualitäten


Henning Freiberg, wissenschaftlicher Berater und Mitglied der Kommission ‘Kunst’, schildert in einem Zeitschriftenbeitrag (s. Literatur) zutreffend die technologischen Veränderungen in der großen Technologie der Bildverarbeitungsmedien in Fernsehen, Wirtschaft und Wissenschaft. Und ebenso treffend, flankiert durch einen beispielhaft anschaulichen und kritischen Überblick über geeignete «Hard- und Software für den Unterricht» von Astrid Vietmeier, stellt er die Möglichkeiten der kleinen Technologie von Billig-Computern dar. Das derzeit gesellschaftlich Interessanteste ist aber m.E. die mittlere Technologie, die in Betrieben und Verwaltungen zu erheblichen Veränderungen führt.

Am Beispiel des von Freiberg kurz gestreiften Desktop Publishings (DTP) will ich das exemplarisch näher ausführen. Die durch die mittlere Technologie z.B. des Apple Macintosh und Laserdruckers initiierte Entwicklung des DTP hat im grafischen Bereich zu einer kleinen Revolution geführt mit den traurigen und euphorischen Momenten, die Revolutionen zu begleiten pflegen. Traurig anzuschauen, was mit dieser Technologie von schnell-geschulten MitarbeiterInnen an (typo-)graphischem Schrott produziert wird, wo gleichzeitig geschulte Setzer «freigesetzt» werden. Herrlich zu erleben, wie in einer Kleinstadt das einzige konkurrierende Anzeigenblatt vom regionalen Medienkonzern geschluckt, die MitarbeiterInnen auf die Straße gesetzt werden und wie diese mit DTP-Unterstützung innerhalb einer Woche ihr Blatt unter neuem Titel auferstehen lassen. Beides, Sensibilisierung und Anerkennung für die geschichtlichen Leistungen herkömmlicher Drucktechniken und -ästhetik und damit einhergehender, in Berufen organisierter Arbeitshaltungen und selbstbewußtes Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und technologisch gestützten Entwicklungsmöglichkeiten sollte angesichts des drohenden Geschichts- und Qualitätsverlustes eine zentrale Aufgabe eines emanzipatorischen (Kunst-)Unterrichts sein. Und zu dieser professionellen Haltung gehört m.E. unabdingbar, daß sich Pädagogen weigern, mit unzulänglichen Arbeitsmitteln ihre Aufgaben anzupacken.

Das führt mich zu einem anderen, in Freibergs Analyse etwas zu kurz gekommenen Moment: dem derzeitigen Zustand unserer Schulen und der begleitenden Bildungspolitik und -verwaltung. Die bisher bekanntgewordenen Unterrichtsvorschläge liefern neben anregenden Beispielen auch die deprimierende Einsicht, daß für unsere Schulen offenbar nur die untere Qualitätsstufe von Soft- und Hardware finanzier- oder organisierbar, die professionelle mittlere Technologie aber unerreichbar ist. Und Freiberg liefert sicherlich ungewollt – mit Bezug auf Diethart Kerbs Plädoyer für kleine Medien – durch seine an sich einleuchtende Einschätzung, daß an minderwertiger Ausstattung auch prinzipielle Einsichten gewonnen werden können, noch eine theoretische Absolution.

Leider überspielt er damit m.E. zentrale didaktische Fragen:

1.Das Problem, daß einige SchülerInnen (und ihre Eltern) mit ihren 68000er-Computern offenbar mehr und zukunftsträchtiger für ihre Bildung investieren wollen, als es die bisher nicht revidierten kultusministeriellen Anschaffungsempfehlungen mit ihrer überholten MS-DOS-Orientierung nahelegen. Was bedeutet das für die sog. «Chancengleichheit»?

2.Die SchülerInnen erleben die Beschäftigung mit der Billig-Soft- und -Hardware angesichts der fortschrittlicheren Technologie des ATARI ST, des Commodore Amiga und erst recht der Leistungen der angeblich zu teuren professionellen, mittleren Technologie des Apple Macintosh als «Spielkram» mit entsprechend demotivierenden Wirkungen (die meisten der von Astrid Vietmeyer in ihrem Überblick genannten Kritikpunkte an Hard- und Software sind in der mittleren Technologie professionell gelöst). Daß sich auch die LehrerInnen mit Spielkram abgeben, wird das Problem auch nicht lösen. Aber PädagogInnen, die NT in ihren jeweiligen – nicht nur schulischen – Lebenszusammenhängen sinnvoll einsetzten, stellten per se ein bildendes Potential für die Heranwachsenden dar.16


Wir haben es im Bezug auf Schul-Software offenbar mit einem Teufelskreis zu tun: Ein mangelhaftes Programm-Angebot erweckt wenig Nachfrage – geringe Nachfrage führt zur Zurückhaltung von Computerherstellern, Softwarehäusern, Schulbuchverlagen und Programmierern – das verfestigt das mangelhafte Programm-Angebot – usw. usf.17 Der MK sprach hingegen am 25.4.86 im Landtag von Verhandlungen mit professionellen Software-Herstellern, um vorhandene Software und Software-Konzeptionen in schulgeeignete Programme umzusetzen. Haben sich diese zwischenzeitlich realisiert? Gibt es im MS-DOS-Bereich tatsächlich die erhoffte Kooperation von Programmierern und Pädagogen?(MK Informationen 1988, 47)



Das Dilemma der Pädagogik


Angesichts der sich immer schneller vollziehenden Entwicklungen in immer mehr Bereichen unserer Gesellschaft liegt die Forderung an die Schule nahe, diese solle die Schüler möglichst früh und umfassend mit ihnen bekanntmachen. Eine Vielzahl von Bindestrich-Pädagogiken gibt beredtes Zeugnis für diese Tendenz: z.B. Medien-Erziehung, Gesundheits-Erziehung, Verkehrs-Erziehung usw. Ihr liegt die an sich plausible Überlegung zugrunde, daß der Umgang mit neuen Entwicklungen am besten in jungen Jahren und im direkten Umgang mit ihnen gelernt werden kann. Leider ist das, was hier als Lösung des Problems gefordert wird, in mehrfacher Hinsicht auch Bestandteil des Problems: Die pädagogischen Reaktionen produzieren mit die Phänomene, auf die sie nur zu reagieren meinen, und verschärfen so, was sie doch zu entschärfen glauben.

Dies gilt m.E. für die schulische Beschäftigung mit NT in besonderem Maße. Diverse Diskussionsbeiträge gehen zutreffend von zukünftig weiter verbreiteten NT aus (vgl. z.B. die Beiträge in LOCCUM I). Zusammen mit der pädagogischen Maxime, daß die Schule auf’s (zukünftige) Leben vorzubereiten habe, wird dann in Befolgung einer schlichten Summations- und Kausallogik die Forderung erhoben: Damit die SchülerInnen die NT verantwortlich anwenden könnten, müßten sie sich – rechtzeitig – in ihrer Schulzeit mit diesen auseinandersetzen. Denn: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.” Prototypisch für diese Argumentation steht Klaus Haefner (in LOCCUM I, 13-24) mit seinen Kassandrarufen über die Gefahren eines NT-Analphabetismus18 und in seinem Gefolge die Forderung des Erwerbs eines „Informationstechnik-Führerscheins”(Haefner, 24) als Kenntnis-Nachweis in diversen Bildungsgängen. In der Logik dieser Argumentation führt die Nicht-Befassung mit NT zu schwerwiegenden individuellen und volkswirtschaftlichen Nachteilen im späteren Erwerbsleben.19 Am Horizont droht der persönliche Abfall in’s Lager der Entbehrlichen, die vielleicht noch sozialstaatlich auf der Grundlage einer Mindestversorgung mitgeschleppt werden, die aber ansonsten aus dem gesellschaftlichen Arbeitszusammenhang ausgeschlossen werden. Und die volkswirtschaftliche Blickrichtung sieht eine Nation, die die NT in ihrem Ausbildungssystem vernachlässigt, auf absehbare Zeit in’s weltwirtschaftliche Abseits driften (so z.B. Gunter Bohle in LOCCUM II, S.21).

Bei aller Plausibilität, die diese Argumentation schon durch bloße Beobachtbarkeit für sich beanspruchen kann: NT-Kenntnisse werden zunehmend zu Einstellungsvoraussetzungen und sind Produktivitätsfaktoren erster Ordnung, so übersehen ihre Vertreter doch eine grundlegende theoretische Schwachstelle: Entscheidungen über NT werden heute von 40- bis 60-jährigen getroffen, also von Generationen, die in ihrer Schulbildung nichts mit NT im heutigen Sinne zu tun hatten und damit – nach der vorgestellten Kurzschluß-Logik – eigentlich nicht in der Lage sein dürften, über diese verantwortlich zu entscheiden.

Falls sie es aber doch tun wollen und können, müssen sie andere als technische Bildungsmomente befähigen, dies verantwortlich zu tun (vgl. z.B. Rita Süßmuths Forderung in LOCCUM II, 130: „Bei all dem, was wir bezüglich der Flexibilität sagen, ist aber immer auch danach zu fragen, woher die Menschen die Bindung nehmen, aus der heraus sie flexibel und mobil sein können. Wo und wie soll das erfolgen?” Hervorhebungen KPT).

Auch ein weiteres grundlegendes Problem des technologischen Fortschritts für die Schulen ist in den bisherigen Initiativen des Kultusministeriums nicht hinreichend bedacht. Die Innovationszeiten, d.h. der Zeitraum zwischen z.B. einer wissenschaftlichen Entdeckung und ihrer Umsetzung in Verfahren und Produkten, sind in vielen Bereichen inzwischen so kurz, daß die Schüler in den allgemeinbildenden Schulen20 nur mit Inhalten, Geräten und Verfahren bekanntgemacht werden können, die in ihrem späteren Berufsleben kaum noch eine Rolle spielen werden. Die diversen Computer-Ausstattungsempfehlungen des Kultusministeriums bzw. der Kultusminister-Konferenz für die Schulen waren deshalb, kaum gegeben, bereits durch den technischen Fortschritt von Hard- und Software überholt.



Auswege aus dem Dilemma


Die Pädagogik hätte auf diese Entwicklungs-Beschleunigungen mit der verstärkten Förderung der umfassenden Grundfertigkeiten des vielzitierten „Lernen des Lernens” und des „Sozialen Lernens” zu antworten.21 Aber darauf findet sich in den Aktivitäten des Kultusministeriums kein expliziter Hinweis. Auch die Betonung der wachsenden Bedeutung der „klassischen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen” (MK 28.2.86, 9) nutzt den Pädagogen nichts, die „trotzdem” große Schwierigkeiten haben, ihre Schüler zum Lesen. Schreiben und Rechnen zu motivieren.

Auch die vom MK berufenen Experten wünschen sich als Resultate unseres Bildungswesens weniger „Einzelkämpfer”, mehr „Kreativität, Integrationsfähigkeit und verbale Kommunikation” (MK Informationen 1988, 39). Wie soll das aber unter den herrschenden (Konkurrenz-)Bedingungen der Schule operationalisiert werden?

Im Zusammenhang von Qualifikation, Bildung und Lebensqualität sieht z.B. Rolff keinen gesellschaftlichen Bedarf nach mehr Qualifikationen, um mehr zu produzieren, aber nach mehr Qualifikation von mehr Jugendlichen, um Neue Technologien sinnvoll zu gestalten(Rolff, 55). Denn der eigentliche Qualifikationsbedarf ergibt sich auch für ihn nicht aus der Technik selbst, »sondern aus deren arbeitsorganisatorischer Auslegung.« Anhand von Erfahrungen in der innerbetrieblichen Berufsausbildung von avancierten Industriebetrieben der Metall- und Elektroindustrie zielen diese Überlegungen auf Polytechnik, stärkere Nutzung der Projektmethode und Bevorzugung von Auszubildenden, »die über praktische Probleme theoretisch nachdenken« (Rolff, 57). Diese Momente zielen nach Rolff insgesamt auf die Verstärkung reformpädagogischer Elemente im Unterricht der Sekundarstufen I und II.

Die technische Seite der NT scheint bereits durch Anpassung der Berufsbildung leistbar(Dietiker, 37). Aber wichtiger sind die gesellschaftlichen Aspekte der NT, hier besonders die Fragen, die sie in Bezug auf Verantwortungsbewußtsein und Mitgestaltung aufwerfen. Diese müssen schon hier und jetzt in unseren Schulen aufgeworfen und beantwortet, unmittelbar erfahren werden, damit sie zukünftig abrufbar sind. Diese Überlegungen fordern die Einführung stärker selbstregulierter Momente in den Schulen. Die Beschränktheit der dem Programm NT und Schule zugrundeliegenden Überlegungen ist theoretischer Art, umgeht allerdings auch große praktische Umsetzungsprobleme.



Am Beispiel Mädchen und NT


„Technikferne der Mädchen”(MK Informationen 1988, 37) ist „durch die Familie, den Kindergarten, die Schule, durch das soziale Umfeld” und das „kommunikative Umfeld” bestimmt. Aber die niedersächsischen Konzepte sagen bisher wenig, wie dies Problem praktisch, z. B. in den Familien, angegangen werden soll. Das an sich lobenswerte Vorhaben, Eltern in die schulinternen Fortbildungsveranstaltungen einzubeziehen22, geht nicht auf das entscheidende Problem ein: Wie sollen gerade Eltern, die die Schule als feindliche Auslese-Institution für sich und ihre Kinder erleben – und dies sind die in erster Linie von den Neuen Technologien negativ Betroffenen – zur Teilnahme motiviert werden? So blauäugig ausgesprochen wird das Teilnahmeangebot wohl nur von bereits motivierten Eltern wahrgenommen werden und damit nur abermals die ohnehin Starken stärken und die Schwachen in Teilnahmslosigkeit belassen. Schule wird sich umfassend verändern müssen, um auch diesen Eltern und Kindern „helfen” zu können (vgl. unten).

Ist eine geschlechtsspezifische Trennung der Lerngruppen, wie sie manche Beobachtungen nahelegen (vgl. z.B. Dick), tatsächlich auf Dauer tragbar? Oder müßten nicht auch unsere Schulen dazu beitragen, den Geschlechter-Kampf produktiver zu gestalten? Z. B. zitieren die MK Informationen 1988 eine interessante Lehreraussage: „Es wäre falsch, die Einstellung der Mädchen zum ‘Defizit’ zu erklären. Vieles, was ihr Verhältnis zur Technik bezeichnet, sollte in das allgemeine Unterrichtsgeschehen zu diesem Thema eingebunden werden.”(38) Dieser Hinweis kennzeichnet die andere Herangehensweise der Mädchen als Anregungsfaktor, als positive Qualität.23 Könnte nicht eine ähnlich positiver Anreiz auch von der Haltung derer ausgehen, die sich weigern, unter den herrschenden Bedingungen mit NT umzugehen? Zu ihnen findet sich jedoch in den bisherigen Materialien nichts außer ihrer Denunzierung als durch „blinde Technikfeindlichkeit”(MK 28.2.1986, 3) oder (offenbar überholte) „geisteswissenschaftlich orientierte Tradition” befangen (ebd., 4)




Gibt es finanzielle Schwachpunkte?



Unter den vorgenannten Überlegungen stellen sich weniger Fragen nach einer angemessenen Mittelverwendung im Rahmen des oben skizzierten, bornierten kausallogischen bildungstheoretischen Ansatzes24, als vielmehr folgende – tendenziell systemüberschreitende – kritischen Nachfragen:

–Sind die ausgegebenen Beträge technik-immanent sinnvoll ausgegeben? Konnten – und können – wir es uns tatsächlich leisten, etwas Billiges für unsere Bildungseinrichtungen anzuschaffen?

–Und wären die ausgegebenen Beträge im Rahmen eines umfassenderen sozio-kulturellen Technikverständnisses nicht sinnvoller mehr für allgemeine, qualitative Verbesserungen der Bildungsinfrastruktur (mehr LehrerInnen mit weniger „Grundstundenverpflichtungen” in kleineren Klassen mit freierer Unterrichts- und Schulgestaltung) eingesetzt worden, weil diese eher zur Bildung der zunehmend gefragteren Schlüsselqualifikationen wie Kreativität und Kooperationsvermögen beitragen?

Diese Fragen kann ich im Rahmen dieses Exposés aber nur stellen und nicht mehr ausführlich beantworten. Sie zu stellen, bedeutet jedoch, erste Antworten zu unterstellen:

–Technik-immanent lenkte die Entscheidung für den MS-DOS-Standard 1987 Investitionen in einen überholten, veralteten Standard, denn es gab zu diesem Zeitpunkt mit dem Hard- und Software-Konzept des Apple Macintosh eine zukunftsträchtigere Anwendungsumgebung mit qualitativ weit höherstehender Hard- und Software-Basis.

–Spätestens zum gleichen Zeitpunkt – nachzulesen in den Protokollen von LOCCUM II – machten die Forderungen der Vertreter fortgeschrittener Kapital- oder Staats-Interessen [hier z.B. Gunter Bohle von Siemens (LOCCUM II, 21 f.), Peter Meyer-Dohm von Volkswagen (LOCCUM II, 22 f.), Rita Süßmuth (LOCCUM II, 130)] deutlich, daß es ihnen weniger um eine kurzschlüssige Anpassungs-Bildung in Richtung NT als vielmehr um eine umfassende Allgemeinbildungs-Offensive ging.

Bereits damals  – 1985 – hätte eine Umlenkung der niedersächsischen Aktivitäten (und Finanzen) in Richtung auf eine grundlegende Umgestaltung der Schulbildung – z.B. im Sinne des Modellschul-Antrags der GRÜNEN – erfolgen müssen. Dies ist – bekanntermaßen – nicht geschehen, scheint sicht neuerdings – in der immer noch zu verkürzt geführten – Ganztagsbetreuungs-Debatte aber hinterrücks durchzusetzen.

In finanzieller Hinsicht ist abschließend festzuhalten, daß in Niedersachsen zum einen in einen technisch überholten Computer-Standard investiert wurde – und noch wird25 – und zum anderen viel zu spät Mittel in weit grundlegendere sozio-kulturelle Reformen des Bildungssystems umgeleitet werden sollen – und auch dies unter z.Zt. noch viel zu verkürzten Perspektiven.26



Abschließende Bemerkungen

Es fehlt – nicht nur in unserem Land – nach wie vor an einer umfassenden (bildungs-) politischen Konzeption, der es gelingen könnte, technologische Qualität in der Form professioneller Soft- und Hardware, geschichtlich und gesellschaftlich erworbenes Know-How in der Form beruflich qualifizierter Erwachsener (z.B. als SetzerInnen, KünstlerInnen, DesignerInnen etc.) und pädagogische Phantasie in der Form mit ihrer Schule identifizierter SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und SchulverwaltungsbeamtInnen zusammenzubringen für eine große Reformanstrengung (diesmal von unten und oben zugleich), um den Anforderungen unserer Welt im Wandel zu begegnen.

Informations- und Kommunikations-Techniken (IKT) drohen nach Faulstich die Gräben zwischen Mensch und Natur und Mensch und Mensch zu vertiefen (241). Daraus ergibt sich auch für ihn die Frage nach der Gestaltbarkeit der Entwicklung: Kann Pädagogik die Potentiale der IKT „zur Entfaltung und Verwirklichung der Menschen” nutzbar machen? Er beschreibt es als „Wesen der “neuen Techniken” (..) die Maschinisierung psychischer Prozesse” zu betreiben(243)? Dies führt zu mentalen Zerstörungen durch IKT:

•Der Mit- und Gegenspieler wird maschinisiert.

•Es entstehen fiktive Universen, und es kommt zu einer Ablösung von der Realität.

•Bedürfnisse werden ins Imaginäre verlagert und scheinhaft befriedigt.

•Die Scheinbefriedigung führt zur Abhängigkeit von Medien und Scheinwelten.

•Und als besonders brisante Zuspitzung: Ist nach der Durchsetzung der IKT der heutige „Freak” immer noch nur „Outcast” oder nicht vielmehr ein weiter verbreiteter Charaktertyp?!

Eine detailliertere Auseinandersetzung mit einigen Kritikpunkten an der Computer-Verwendung läßt diese jedoch als mindestens ambivalent erscheinen (246 ff.). Z.B. gibt es zwar eine deutliche Tendenz hin zu Entwicklungen einer sog. Künstlichen Intelligenz (KI-Technik), und doch ist z.B. die Komplexität menschlicher Kommunikation auf absehbare Zeit nicht technisch darstellbar (251, vgl. auch Zimmerli). Unter dem Aspekt einer drohenden „Maschinisierung des Menschen”(252) stellt sich dieses Problem allerdings noch einmal anders!

Heydorn [und besonders auch Günther Anders (1956/1980), KPT] folgend ist es deshalb die dringlichste Bildungsaufgabe, das Bewußtsein des Menschen von sich selber auf die Höhe der technologischen Revolution zu bringen (253), wozu die Veränderungsprozesse selber eine wichtige Grundlage liefern können: „Gerade in der Folge technisch-organisatorischer Innovationsprozesse öffnen sich reale Möglichkeiten alternativer Verwendung von Zeit.” (254, vgl. auch Negt)

Der oben bereits zitierten Forderung des MK, dem Angriff der Neuen Technologien auf unsere Lebenswelt sei durch Bewahrung und Stärkung der „sozialen, kommunikativen, ästhetischen, künstlerischen, musischen und handwerklichen Fähigkeiten junger Menschen” (MK 28.2.1986, 9) zu begegnen, läßt das Ministerium keinerlei Hinweis folgen, wie das in den unveränderten Schulen klappen sollte, die dieser Aufgabe auch ohne die Bedrohungen durch Neue Technologien kaum gewachsen sind. Unter den Bedingungen einer weiterhin restriktiven Finanzpolitik im Sozial- und Bildungsbereich haben ohnehin viele Schulen Mühe, ihre ganz alltäglichen Probleme zu lösen.

Ähnliche Bedenken äußert auch der Landeselternrat: „Was die Anschaffung von Computern in einer Größenordnung von DM 40.000 und die Herrichtung eines Computerraumes, die noch einmal eine Menge Geld verschlingt, für eine Schule bedeutet, die alltäglich Probleme damit hat, z.B. wichtiges Experimentiergerät im naturwissenschaftlichen Bereich anzuschaffen, Musikinstrumente zu kaufen, die Schülerbücherei zu modernisieren u.ä. mehr, ist leicht vorstellbar.” (Landeselternrat, 2) Und in einem in der Wochenzeitung DIE ZEIT abgedruckten Interview gab der Informatik-Wissenschaftler Joseph Weizenbaum folgende, pessimistisch stimmende Einschätzung: „… in den Schulen werden massenhaft Computer gekauft, ohne daß jemand sich darüber informiert hat, wie man seine Mühen und das Geld besser einsetzen könnte. An amerikanischen Schulen beklagen wir, daß Schüler nicht lesen können. Dann kommt ein Computerkonzern, der behauptet, beweisen zu können, daß Schüler, die mit seinem Programm gearbeitet haben, besser lesen können als andere. Das ist aber dumm. Denn wenn viele Kinder deshalb nichts lernen, weil sie hungrig zur Schule kommen, wäre ihnen mit einem Frühstück mehr geholfen. Doch dafür ist dann das Geld nicht mehr da. Die Einführung des Computers verhindert Fragestellungen, die zu politischen Fragen führen könnten. Vielleicht ist gerade das der Zweck dieser Einführung.” (Büschemann/Lütge, 43; Hervorhebung KPT)



Anmerkungen


1Ich spreche im Rahmen dieses Exposés gemäß der vorherrschenden Terminologie ebenfalls von Neuen Technologien, obwohl im Sinne einer größeren Klarheit über Gegenstand und Reichweite der jeweiligen Termini auch andere Bezeichnungen möglich wären; vgl. Kell 1986, 141 ff., der zu Recht darauf besteht, Technologien seien an sich auf Techniken bezogene „(Ingenieur-) Wissenschaften”(Kell, 143), deren „Stellenwert als didaktischer Bezugspunkt (…) für ein Bildungskonzept (…) von der Weite des Technologieverständnisses” (ebd.)  abhängig sei.

2Vgl. Der Niedersächsische Kultusminister(Hrsg.): Material zur Information über das Vorhaben „Neue Technologien und Schule” (Stand: 12. März 1986) sowie die Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 5.12.1985 zum Thema „Neue Technologien und Schule”

3Dies erscheint umso unverständlicher, als im Herbst 1987 mit großem Aufwand ein „Pilotprojekt ‘Telekommunikation Normandie-Niedersachsen’” von drei niedersächsischen Gymnasien durchgeführt wurde.(MK Pressemitteilung v. 18.9.87 und 11.12.87)

4Verstanden als Resultat einer didaktischen und methodischen Überlegungen im engeren Sinne vorgelagerten Entscheidung.

5Unter ähnlichen Voraussetzungen lief bereits 1985 ein vierjähriges Computer-Investitions-Programm (CIP) von Bund und Land an den Niedersächsischen Hochschulen an.

6Fünf für den Bereich ‘Berufsbildende Schulen’ in Papenburg, Oldenburg, Lüneburg, Burgdorf, Salzgitter (s. Abb. 1, weiße Orte), fünf für den Bereich ‘Allgemeinbildende Schulen’ in Aurich, Bremervörde, Nienburg, Osnabrück und Northeim (s. abb. 1, schwarze Orte), die jeweils von der anderen Sparte mit zu nutzen sind.

7Vgl. auch für us-amerikanische Verhältnisse: „Many educationaI systems have assigned someone to act as computer coordinator. These individuaIs serve as trainers and troubIeshooters within the system and know whom to contact for outside heIp. They have formed regionaI networks for mutuaI support and quick exchange of ideas, resources and teaching practices.” (Naiman 1987, 193) Deutsche Übersetzung KPT: „Viele Bildungsinstitutionen haben jemanden zum Computer-Koordinator ernannt. Sie fungieren als Trainer und Troubleshooter innnerhalb ihrer Institution und wissen, wen sie außerhalb um Hilfe ansprechen können. Sie haben regionale Netzwerke aufgebaut, um sich gegenseitig zu unterstützen und schnell Ideen, Hilfsmittel und Unterrichtstips auszutauschen.”

8Dadurch wird im Prinzip eine unmittelbare Rückbindung der Curriculumrevision an Entwicklungen in den durch die jeweiligen Experten vertretenen gesellschaftlichen Teilbereichen, also ein vielfältiger, aktueller und direkter Quellenzugang gesucht. (vgl. dazu kritisch Zimmer, bes. 181). Eine Liste der externen Berater ist als Anhang 1 der MK Pressemitteilung vom 17.10.86 beigefügt (MK 17.10.86).

9Wie einfach man es sich mit Fähigkeitsnachweisen machen kann, zeigt die Antwort des MWK auf eine Anfrage der FDP zum Thema „NT und Weiterbildung” vom 24.4.86: „Die vielfältigen Aktivitäten der Weiterbildungseinrichtungen im Bereich der informationstechnischen Bildung (…) belegen, daß hochqualifiziertes Personal in den Einrichtungen vorhanden ist, die flexibel und mit beachtenswertem Erfolg auf die Herausforderung durch die neuen Technologien reagieren.”(MWK, 10)

10Nach einer Aussage des MWK bieten im Rahmen der Lehrerfortbildung nur die Universitäten in Hannover, Oldenburg und Lüneburg „in Kontaktstudiengängen, Seminaren oder Einzelveranstaltungen Weiterbildung im Bereich neuer Technologien” an. (MWK, 6)

11Vgl. z.B. Vietmeyer

12Es ist wahrscheinlich eine nur von Verwaltungsjuristen zu klärende Frage, wieweit die von Hischer et al.  und von Borsum/Schwarzer gelieferten Erläuterungen im Nichtamtlichen Teil des SVBl 1/1987 überhaupt legitimiert sind, die im Amtlichen Teil  abgedruckten offeneren Empfehlungen des MK einzuschränken.

13Physik für HS/RS, S.8; wortgleich in Kunst, S.8, und Deutsch, S.9. Wer genau liest, wird sich über den Plural „…systeme” wundern, wo doch nur eines – nämlich MS-DOS – empfohlen wird. Und wer mit dem Aufwand vertraut ist, der in der Regel erforderlich ist, um Programme von einem Betriebssystem auf ein anderes zu übertragen, wird sich überhaupt über dieses Vorgehen wundern.

14Vgl. Herberts' kritische „Bestandsaufnahme” des MS-DOS-Nachfolgesystems OS/2 in ‘Computer Persönlich’ vom 23.11.1988.

15Vgl. z.B. Udo Kellerbach über das zunehmend wichtige Kriterium der ‘Software-Ergonomie’ oder Alfred Borks Neuauflage der Überlegungen zu interaktiven, technikgestützten Lehr-/Lernumgebungen.

16Nach persönlichen Informationen arbeiten zunehmend mehr KollegInnen – auch Kommissions-Mitglieder, MK- und NLI-Mitarbeiter – lieber an z.T. privat angeschafften, höherwertigeren Geräten, als an den weniger anwender-freundlichen Geräten nach den Ausstattungsempfehlungen des Landes.

17Es ist nun einmal – auch bei uns – so, wie es Adeline Naiman beschreibt: „Good software is expensive to make, is rarely produced on schedule, is never completely debugged before it goes to market, and represents an investment risk.”(198) Deutsche Übersetzung KPT: „Gute Software ist nur teuer herzustellen, ist selten gemäß den Produktionsplanungen fertig, geht nie ganz ohne Fehler auf den Markt und stellt ein Investitionsrisiko dar.”

18Der Informatik-Wissenschaftler Joseph Weizenbaum meint, „…daß der Begriff ‘computer-literacy’, wie wir das auf englisch sagen, also Computer-Alphabetentum, ein Kaiser ohne Kleider ist.” (Weizenbaum 1984, 127; Hervorhebung KPT)

19Vgl. Bischoff, 171 ff., und Rekus, 106 ff., die sich u.a. mit dem BLK-Konzept „Informationstechnische Grundbildung” auseinandersetzen.

20Für die berufsbildenden Schulen trifft diese Aussage abgeschwächt ebenfalls zu.

21Die wohl wichtigsten Forderungen aus dem immer noch aktuellen „Strukturplan…” des Deutschen Bildungsrates 1970, 33-37; vgl. auch Offe, 225

22Vgl. Niedersächsische Landesregierung 1986

23Ähnliche Plädoyers für produktives Miteinander von Jungen und Mädchen bei NT-Angeboten finden sich bei Anneliese Dick und Karin Flaake (s. Literatur).

24Daß sich auch unter dieser beschränkten Sicht Kritik am MK üben läßt, zeigen z.B. die Rügen des Landesrechnungshofes in seinem Bericht für den Niedersächsischen Landtag, Drucksache 11/2570, S. 69 ff., bezüglich der „Mitfinanzierung von Modellversuchen (…) durch den Bund” und der „Finanzierung einer Ersatzschule mit neuem Bildungsgang”.

25Einer gewöhnlich gut unterrichteten Quelle war im November 1988 zu entnehmen, daß das MK „zur noch besseren Abwicklung des Programms Neue Technologien und Schule (…) es für wünschenswert halten (würde), wenn es von 1989 ab 750000 DM zusätzlich bekäme. Das Programm läuft bis 1993 und muß jährlich um mindestens 650000 DM verstärkt werden.” (rundblick, Jahrgang 1988/Nr. 222 vom 17. November 1988)

26Vgl. die vom neuen MK Horrmann eingeleitete Ganztagsbetreuungs-Debatte und – viel weitergehend – die Schlußthesen in meinem Beitrag zur Loccumer Videoterror-Debatte in Reichardt 1985, S.28 ff., sowie Negt, bes. den Abschnitt IV. 5. Aufhebung der Existenzängste und das Problem einer Moral jenseits von Lohn und Leistung, S. 214-226



Literatur


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Ruedi Balderer, Hansruedi Dietiker, Max Gutzwiller, Martin Wirthensohn: Entwicklungsprojekt Informatik für die Oberstufe der Zürcher  Volksschule. Zwischenbericht. Zürich 1986 (Pädagogische Abteilung)


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Ulrich Bosler: Informationstechnische Grundbildung – Modelle und erste Erfahrungen. In: mathematik lehren. Oktober 1986, S. 50-53


Karl-Heinz Büschemann und Gunhild Lütge: Es ist wie eine Gier. Ein ZEIT-Gespräch mit dem Informatik-Wissenschaftler Joseph Weizenbaum. In: DIE ZEIT Nr. 47, 18. November 1988, S. 42-43


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Anneliese Dick: Vom Ende der koedukativen Erziehung? Ein Unterrichtsbeispiel und seine (möglichen Folgen. In: päd. extra & demokratische erziehung, April 1988, S. 6-8


Hans R. Dietiker: Alltagsinformatik. Entwicklungsprojekt für die Oberstufe der Zürcher Volksschule. In: mathematik lehren. Oktober 1986, S. 36-41


Empfehlungen des Erziehungsrates zuhanden der kommunalen Schulbehörden (Erziehungsrat): Informatik in der Oberstufe der Zürcher Volksschule. Ausführliche Fassung gemäss Beschluss des Erziehungsrates. Zürich 1986


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Peter Faulstich: Zauberlehrlinge in Mikropolis? Emotive und kognitive Aspekte einer Computerkultur. In: Lisop, a.a.O., S. 239-257


Karin Flaake: Michaela, Martin und Maria – wie sie sich selbst in Informatik erleben und einschätzen. In: päd. extra & demokratische erziehung, April 1988, S. 9-10


Henning Freiberg: Das Bild aus dem Computer. Zur Didaktik eines neuen Bildmediums. In: Kunst+Unterricht. Zeitschrift für Kunstpädagogik. Themenheft ‘Computergrafik’, Heft 116/Oktober 1987, S. 15-25


Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB (Hrsg.): Neue Technologien und Medien in Bildung und Gesellschaft. Frankfurt/Main 1984 (Bezugsadresse: Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Referat ‘Allgemeine Bildungspolitik’ – Postfach 180109 – 6000 Frankfurt/Main 18 • kostenlos)


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Horst Hischer, Gerhard Walter und Thomas von Zimmermann: Die Ausstattung von Schulen mit Rechnern – aus der Sicht des Kultusministeriums. In: Schulverwaltungsblatt 1/1987, S. 14-18


Inside The Personal Computer (o.V.). An illustrated introduction in 3 dimensions. Harmondsworth, Middlesex, England (Penguin Books). Deutsche Übersetzung 2001 Versand Frankfurt/Main, ISBN 0-670-80114-3


Udo Kellerbach: Über Mäuse, Fenster und Menüs. In: INFOWELT vom 10.Februar 1986, S. 19


Horst Kern: Computerisierung der Schulen. In: links. Sozialistische Zeitung. Nr. 192, März 1986, S. 24-26


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Ingrid Lisop (Hrsg.): Bildung und neue Technologien. Symposion im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Heidelberg 1986 (Gesellschaft zur Förderung arbeitsorientierter Forschung u. Bildung)


Adeline Naiman: A Hard Look at Educational Software. In the rush to equip schools with computers, we risk ignoring some important issues. In: BYTE, February 1987, pg. 193-200


Oskar Negt: Lebendige Arbeit, enteignete Zeit. Politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit. Frankfurt/Main – New York 1984 (Campus)


Der Niedersächsische Kultusminister (Hrsg.) (LOCCUM II): Loccum II. Dokumentation der Tagung „Neue Technologien und Schule”. Evangelische Akademie Loccum. 4.-6. Februar 1985


ders. (Hrsg.) (MK 1986): Material zur Information über das Vorhaben „Neue Technologien und Schule” (Stand: 12. März 1986)


ders. (MK 28.2.86): Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 5.12.1985 zum Thema „Neue Technologien und Schule”


ders. (MK 25.4.86): Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf die Fragen der Abgeordneten Möhrmann und Dr. Ahrens (SPD) zum Thema „Fehlende Software für Schulcomputer”


ders. (MK 1.87): Erlaß ‘Ausstattung von Schulen mit Rechnern für den Unterricht. Hier: Empfehlungen zur Ausstattung von allgemeinbildenden Schulen in den Sekundarbereichen I und II.’ In: Schulverwaltungsblatt 1/1987, S. 3 f.


ders. (Hrsg.) (Deutsch): Neue Technologien und das Fach Deutsch. Erprobungsfassung. Stand: Oktober 1987


ders. (Hrsg.) (Kunst): Neue Technologien und das Fach Kunst. Erprobungsfassung. Stand: August 1987


ders. (Hrsg.) (Physik): Neue Technologien und das Fach Physik (Hauptschule und Realschule). Erprobungsfassung. Stand: April 1988


Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur (MWK): Neue Technologien und Weiterbildung / Minister Cassens beantwortet Große Anfrage der Fraktion der FDP. Pressemitteilung vom 24.April 1986


Claus Offe: Bildungssystem, Beschäftigungssystem und Bildungspolitik – Ansätze zu einer gesamtgesellschaftlichen Funktionsbestimmung des Bildungswesens. In: Deutscher Bildungsrat: Gutachten und Studien der Bildungskommission. Band 50, Stuttgart 1975. S. 217-252 (Klett)


Jürgen Rekus: Der (un-)heimliche Lehrplan des Computers im Unterricht. Pädagogische Anmerkungen zum bildungspolitischen Konzept „informationstechnische Grundbildung”. In: Die Deutsche Schule, Heft 1/1988, S. 104-118


Hans-Günter Rolff: Technologieentwicklung und Arbeitsorganisation als Ausgangspunkte für eine Neufassung des Bildungsbegriffs. In Lisop 1985, S. 49-70


Klaus-Peter Thiele: Horrorvideos im Zusammenhang von Gesellschaft und Gewalt. Beitrag zur Tagung »”Videoterror” als gesellschaftliches und individuelles Phänomen« der Evangelischen Akademie Loccum (11.-12. Februar 1985). In: Hartmut Reichardt (Hrsg.): Loccumer Protokolle 23. Loccum 1985, S. 20–32.


Astrid Vietmeier: Hard- und Software für den Unterricht. Geeignete Geräte und Programme im Überblick. In: Kunst+Unterricht. Zeitschrift für Kunstpädagogik. Themenheft ‘Computergrafik’, Heft 116/Oktober 1987, S. 45-49


Joseph Weizenbaum (Weizenbaum 1978): Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Frankfurt/Main 1978 (Suhrkamp)


ders. (Weizenbaum 1984): Die technische Revolution auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und ihre Folgen für die Freiheitsrechte in einer demokratischen Gesellschaft. Einleitungsreferat auf dem Symposium der Hessischen Landesregierung „Informationsgesellschaft oder Überwachungsstaat” vom 3. bis 5. September in Wiesbaden. Nachgedruckt in: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB (Hrsg.), a.a.O., S.115-127


Jürgen Zimmer: Curriculumforschung: Chance zur Demokratisierung der Lehrpläne. In: Frank Achtenhagen/Hilbert L. Meyer (Hrsg.): Curruculumrevision. Möglichkeiten und Grenzen. München 1972, 3. unveränderte Auflage (Kösel) S. 178-196


Walther Ch. Zimmerli: Computer: Die Zukunft des Denkens? In: Mensch und Computer. Zeitschrift für Bildung, Erziehung, Kultur und Soziales. Nr. 1/1988, S.12-21



1989 an die Auftraggeberin übergeben.


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